Sardinien Cross 2005

15.04.2005 - 27.04.2005

Eine Nord-Süd Durchquerung der Mittelmeerinsel Sardinien mit dem Mountainbike.
Von Helmut Hägele und Siegfried Hügler.

Prolog

 

Als wir, Siggi und ich, im Jahr 2000 nach unserer Korsikadurchquerung am Südzipfel Korsikas standen war uns klar, dass die Insel Sardinien, die wir gerade noch im Dunst erahnen konnten, auch mit dem Bike bezwingbar sein müsste. Passend dazu kam in der MTB 10/2002 die Tourenbeschreibung von Achim Zahn. Da gab`s dann nicht viel zu überlegen. Im April 2005  war es dann so weit. Nach intensivster Vorbereitung, Planung und Organisation steigen wir in Olbia aus dem Flieger aus und starten zum

Sardinien Cross 2005.

 

 

 

1. Etappe, Freitag 15.04.2005, Olbia - Palau

 

- Rückenwind -

Am Flughafen in Olbia nehmen wir unsere Bikes in Empfang. Der Einfachheit halber haben wir die Bikes nahezu unverpackt aufgegeben. Meine grösste Sorge, etwas an Schaltung oder Bremsen könnte verbogen sein, bestätigt sich zum Glück nicht. Nach einem kurzen Check entfernen wir das Verpackungsmaterial, pumpen Luft in die Reifen und los geht`s. Es ist 13:45 Uhr. Der kräftige Wind, der und beim Aussteigen aus dem Flieger fast die Mütze vom Kopf geblasen hat, kommt aus Süden. Wir fahren heute nach Norden, so sind wir froh und geben ordentlich Gas. Als wir Olbia hinter uns haben, ist kaum noch Verkehr auf der Strasse und wir nehmen die ersten Eindrücke der Insel in Form von milden Temperaturen, Sonnenschein und angenehmen Düften auf. Eine Wohltat nach dem Schmuddelwetter in der Heimat.

Um 15:30 Uhr sind wir in Palau angekommen. Dank des Windes mit einem 29er Schnitt. Da die Tourist-Info noch geschlossen hat, wollen wir gleich die Befestigung auf dem nahe gelegenen M. Altura besuchen. Hier angekommen müssen wir feststellen dass alles ziemlich geschlossen aussieht. Wir sind in der Vorsaison hier, weswegen wir auf unserer Reise noch öfter vor verschlossener Türe stehen werden.

In der Tourist Info bekommen wir eine Unterkunftsliste, wir entscheiden uns für das Hotel Murru. Nachdem die Zimmer klar gemacht sind, besuchen wir die Sehenswürdigkeit auf Sardinien: den Bärenfelsen am Capo di Orso. Keine 10 km von Palau entfernt erreichen wir die Einfahrt zu der Sehenswürdigkeit. Der letzte Touribus fährt gerade ab. Schön angelegt führt ein Fussweg ca. 100 Meter höher zu dem besagten Fels. Die Bikes lassen wir zunächst unten zurück. Oben angekommen stellen wir fest, dass ausser uns kein Mensch mehr da ist. So holen wir die Bikes auf die für Trailshots ausgezeichnet geeignete Anhöhe. Nachdem wir uns lange mit knipsen beschäftigt haben, lassen wir die Sonne am Horizont untergehen und rollen im letzten Licht zurück nach Palau. In der nahe gelegenen Pizzeria werden die Speicher aufgefüllt.

 

Fahrdaten:   749 hm   60,95 km   2:33 Fahrzeit

 

Übernachtung: Hotel Murru, Tel: +39 0789 / 709483, DZ+F 60 €.

 

 

 

 

2. Etappe, Samstag 16.04.2005, Palau - Tempio

 

- Sackgasse -

Nachts und am Morgen haben gelegentliche Regenschauer die Luft erfrischt und wir starten in angenehmer Morgenfrische gen Süden. Es geht zunächst auf der Strasse zurück nach Arzachena. Bei Arzachena besichtigen wir die Gigantengräber. Da an jedem der Sehenswürdigkeiten Eintritt verlangt wird, meist nur von weitem. Die nette Archäologin, die uns vor einem unrechtmässigen Eindringen ins Areal abhält, spannen wir gleich zum Knipsen ein. Bei der Weiterfahrt sind wir so mit Gegenwind und Windschattenfahren beschäftigt, dass wir glatt an unserem Linksabzweig vorbei fegen, der uns zum Lago Liscia führen sollte. Erst als wir kurz vor Luogosanto sind, bemerken wir unseren Irrtum. Egal. Schnell machen wir auf der Karte eine Alternativroute aus. Von Luogosanto fahren wir erst ins Tal ab und dann auf der 133 nach Süden. Kurz nach der Passhöhe biegen wir nach links Richtung Lurro von der Hauptstrasse ab. Kurz darauf folgen wir wieder unserem Gefühl und biegen erneut links ab. Ich muss dazu sagen, dass wir seit Luogosanto nur ein Strassenkarte hatten, auf der diese Wege nicht eingezeichnet sind. Wir folgen dem asphaltierten Weg bis wir bald im Tal einen wunderschönen Blick auf den Lago Liscia haben. Eine tolle Abfahrt, teils auf Schotter, teils auf steilstem ausgewaschenen Trail belohnt uns schliesslich für den 400 hm-Umweg. Am See angelangt wollen wir am Westufer nach Norden fahren, um dort auf die Originalroute zu stossen. Ewiges Auf und Ab macht die Uferstrasse nicht gerade einfach, der starke Rückenwind hilft uns. Wir wundern uns, dass keinerlei Fahrzeuge unterwegs sind. Im Norden des Sees angelangt, wissen wir auch warum. Die Staumauer ist zwar befahrbar, aber leider mit einem elektrischen Tor verschlossen. Keine Chance, hier drüber zu kommen. Eine Passage auf der Landstrecke scheidet aufgrund zu grossen Höhenunterschiedes und undurchdringlicher Macchia aus. So legen wir erst mal eine ausgiebige Vesperpause ein um anschliessend die gleiche Strecke wieder nach Süden zu rollen. Der nun heftige Gegenwind lässt und dicht hintereinander fahren. Auf Asphalt legen wir dann die restlichen 400 hm und 25 km bis Tempio zurück.

 

Fahrdaten:   1867 hm   93,63 km   4:50 Fahrzeit

 

Übernachtung: Petit Hotel, Tel: +39 079 / 631134, DZ+F 75 €.

 

 

 

 

0. Etappe, Sonntag 17.04.2005, Tempio - Tempio

 

- Der Tag als der Regen kam -

Gut gesättigt vom abendlichen 5 Gänge Menü schlafen wir zunächst tief und fest, bis uns heftige Gewitter wach'donnern'. Ist nicht schlimm, denken wir, bis morgen Früh ist alles vorbei. Weit gefehlt. Es regnet und stürmt den ganzen Sonntag in einem fort. Die Temperaturen sinken auf 5-7 Grad ab. Wir hängen den ganzen Tag im Hotel rum. Ein Schritt vor die Tür zu machen bedeutet unweigerlich klatsch nass zu werden. Dummerweise hat das Hotel-Restaurant am Sonntag geschlossen. So müssen wir doch noch die Regenjacke überstreifen und zum 300 Meter entfernten Restaurant 'Cascatella' laufen oder besser gesagt rennen. Auf den Strassen schiessen Sturzbäche Talwärts und wir müssen aufpassen, dass uns nicht die Schuhe voll laufen.

 

Fahrdaten:   0 hm   0,00 km   0:00 Fahrzeit

 

Übernachtung: Petit Hotel, Tel: +39 079 / 631134, DZ+F 75 €.

 

 

3. Etappe, Montag 18.05.2005, Tempio - Berchidda

 

- Eiszeit -

Das Wetter hat sich beruhigt. Wir verlassen Tempio im morgendlichen Verkehrschaos. Auf der Via Limbara erreichen wir den im Roadbook erwähnten Abzweig mit Brunnen. Nun geht's auf guter Piste bergwärts. An Siggi's Bike knackt seit längerem etwas komisch und an dem steilen Anstieg wird's uns doch verdächtig. Nach kurzer Untersuchung ist die Ursache gefunden: am Hinterrad ist eine Speiche ab. Natürlich auf der Zahnkranzseite. Siggi ist mit der Problematik ja mittlerweile vertraut (siehe Transalp2 2003) und befestigt fachmännisch die funktionslose Speiche. Das Rad läuft noch ausreichend rund und wir fahren ohne grössere Unterbrechung weiter. Immer bergauf an den Hängen des Mte Limbara. Eventuelle schöne Aussichten werden uns leider durch den dichten Nebel verwehrt. Nur kurze Momente bleiben, um einen Eindruck der Umgebung zu erhaschen bevor die nächste Nebelwand die Sicht verwehrt. Ab 900 Meter Höhe säumen vereinzelt Schneefelder den Wegesrand um ab 1000 Meter den Weg ganz zu bedecken. Das Unwetter des gestrigen Tages hat hier oben für eine ordentliche Schneedecke gesorgt. Zunächst kämpfen wir uns wacker bergwärts durch den nassen, mittlerweile mehrere cm tiefen Schnee. Aber ab ca. 1150 hm gibt es kein Weiterkommen. Zu viel Schnee macht ein Fahren unmöglich. Schieben wollen wir auch nicht, da noch weitere 200 hm anstehen und wir somit total durchnässte Schuhe haben würden. So rollen wir durch den Schnee zurück und gelangen zu der Strasse, die ebenfalls auf den Mte Limbara führt. Die Strasse ist wenigstens vom Schneepflug geräumt. Der gerade im Schmelzen befindliche Schnee kommt uns im Form von Bächen entgegen. Die Fahrt auf den Berg lohnt sich heute nur wegen der Höhenmeter. Die Aussicht ist gleich null. Nebel, neben der Strasse nur Schnee und ein eiskalter Wind lässt uns sofort nach der Bergankunft wieder umkehren. Auf den wenigen Abfahrtsmetern kommen wir ganz schön ins Schlottern. Uns fallen schier Hände und Füsse ab wegen der nassen Kälte. So ziehen wir schnell unsere Regenklamotten über. Ich hadere mit mir, da ich die langen Handschuhe zu Hause gelassen habe. Dem Roadbook folgend biegen wir auf einer Höhe von ca. 1000 m links in einen Weg ab, der uns bald an einem kleinen Stausee vorbei talwärts führt. Vorbei an durchwegs überschwemmten Wegen fahren wir in wärmere Gefilde ab. Wir gelangen nach Berchidda, unser heutiges Etappenziel. Im Albergo Nuovo Limbara bekommen wir ein Zimmer. Wir nutzen die hauseigene Werkzeugkiste und Siggi tauscht die gebrochene Speiche. Zum Glück hat er immer Ersatz im Lenker dabei (Siehe Technik, Hidden Spoke Storage).
Da die Etappe heute recht übersichtlich war, beschliessen wir nach unseren Einkäufen den im Roadbook empfohlenen Abstecher zum Lago Coghinas zu machen. Auf einem schönen Nebensträsschen führt die gut 10 km lange Strecke durch beeindruckende Korkeichenwälder. Am See angelangt entdecken wir nach der Brücke eine kleine Slickrock-Area. Hier toben wir uns einige Zeit lang aus bevor uns der Hunger zurücktreibt nach Berchidda und zum Abendessen im Albergo.

 

Fahrdaten:   1690 hm   65,46 km   4:36 Fahrzeit

 

Übernachtung: Albergo Nuovo Limbara, Tel: +39 ??, HP 38 €/Person.

 

 

 

 

4. Etappe, Dienstag 19.04.2005, Berchidda - Oliena

 

- Orientierungslos -
 

Das Frühstück beschränkt sich heute auf einen guten Capucchino und etwas dürftige, in Plastikfolie verpackte süsse Stückchen.

Um wenigsten die fehlende Klasse durch Masse zu ersetzen, essen wir so gut wie alle der verfügbaren Zuckerteile. Wir brechen auf und steuern sofort den nächsten Supermarkt an. Siggi kauft wie gewohnt gut und reichlich ein. Nach Achim Zahns Roadbook suchen wir unsere Route durch das Wegegewirr. Nun wird uns aber ein Fehler in der Tourbeschreibung zum Verhängnis. Achim Zahn schreibt von einem Gatter mit gemauerten Seitenpfosten, wir stehen aber vor einem ohne gemauerte Seitenpfosten. Eigentlich eine Kleinigkeit. Aber auf der Karte ist so gut wie nichts zu erkennen und wir sind auf Gedeih und Verderb der Beschreibung ausgeliefert. Wir lassen das Gatter Gatter sein und biegen ca. 50 Meter davor dem vermeintlichen Hauptweg folgend links ab. Dies sollte uns einen Verfahrer von ca. einer Stunde bringen. Zum Glück hört unser falscher Weg nach einigen Kilometern auf. So sind wir irgendwann nach endloser Wegsuche und Kartenstudium zurück am Gatter und gehen nun doch hindurch. Nach einer Wegbiegung sehen wir die im Roadbook erwähnte Kapelle. Der Name der Kapelle ist in Roadbook und Karte unterschiedlich. Aber in dieser verlassenen Gegend hier wird es nicht so viele geben, so dass wir davon ausgehen, dass wir richtig sind. Bis wir an der Kapelle sind müssen wir noch zwei mal die Schuhe ausziehen, um die durch den Regen der vergangenen Tage angeschwollenen Bäche zu durchqueren. Die letzte Furt vor der Kapelle ist knietief. Endlich an der Kapelle angelangt ist es bereits 12:30 Uhr und wir machen erst mal Pause. Wir haben gerade mal gute 30 km auf dem Tacho, über 80 km fehlen noch bis zu unserem heutigen Etappenziel. Dadurch angetrieben fahren wir bald weiter. Kurz nach der Kapelle passieren wir das lange gesuchte Gatter mit den gemauerten Seitenpfosten!! Da ist Achim Zahn beim schreiben wohl gehörig durcheinander gekommen. Egal, wir werden ab jetzt die Tourbeschreibung entsprechend kritisch betrachten. Auf guter Strada Bianca und zuletzt Asphalt erreichen wir Budduso. Von hier fahren wir auf schier endlos erscheinenden Nebensträsschen weiter. Es ist kaum Verkehr und wir sind die meiste Zeit alleine unterwegs. Einzig das Wetter macht uns Sorgen. Seit einigen Kilometern werden wir von Donnergrollen begleitet, und gelegentlich regnet es leicht. Aber das Glück ist mit den Tüchtigen und wir bleiben vor grösserem Regen verschont. Bei km 80 legen wir noch mal eine Pause ein und stärken uns. Die Rucksäcke werden um eine Salami und ein Chiabatta leichter und wir fahren weiter. Aufgrund der endlosen Strässchen glauben wir unendlich langsam voran zu kommen. Die Kilometer laufen äusserst zäh auf den Tacho. Am Wegesrand beobachten wir allerdings einen, der noch langsamer unterwegs ist als wir. Trotz unserer vermeintlichen Langsamkeit gelangen wir nach Orune. Nach ausgiebigem Kartenstudium wollen wir nicht die Hauptverkehrsstrasse ins Tal rollen, sondern nehmen die alte, schmale Verbindungsstrasse am Ende des Dorfes. In engen Kehren fahren wir auf verkehrsfreier Strasse in ein Zwischental ab. Die Hauptstrasse kreuzend geht es weiter auf teils sehr grobem, teils verfallenem Karrenweg. Wir freuen und nach der ewigen Asphaltrollerei endlich wieder technisch anspruchsvolles Terrain zu befahren. Die Autobahn kreuzend geht's schon wieder auf guter Strada Bianca aufwärts. Der untere Teil der Strada wird gerade mit einem Teerbelag versehen, in wenigen Tagen wird die ganze Auffahrt geteert sein. Nach weiteren Asphaltkilometern gelangen wir schliesslich bis Oliena, unser heutiges Etappenziel. Im Hotel Chikappa bekommen wir ein Zimmer, im angegliederten Restaurant ein Abendessen. Die installierte Klimaanlage beschleunigt den Trocknungsvorgang unserer frisch gewaschenen Klamotten ungemein.

 

Fahrdaten:   2530 hm   115,45 km   7:02 Fahrzeit

 

Übernachtung: Hotel Chikappa, Tel: +39 0784 / 288024, DZ+F 50 €.

 

 

 

 

5. Etappe, Mittwoch 20.04.2005, Oliena - Cala Gonone

 

- Tragen, tragen, tragen -

In der Bar im Erdgeschoss des Hotels bekommen wir ein Frühstück. Der Kellner beschränkt die Konversation auf das Nötigste. Dies erscheint uns nach den bisherigen Erfahrungen mit den ausnahmslos freundlichen und gesprächsbereiten Sarden seltsam. Aber egal. Wir bekommen ein Frühstück in ausreichender Menge und Qualität.

Während Siggi im Supermarkt einkauft, erfriere ich bei 13 Grad schier. Der frische Wind dieses Morgens lässt mich verstehen, warum die Einheimischen im Wintermantel rumlaufen. Aber bald geht es aufwärts, fast 1000 hm am Stück bis zur Scala Pradu. Wir entschliessen uns heute für die 'einfachere' Variante der Etappe. Die richtige Variante geht ziemlich orientierungslos durchs Hinterland. Aber auch die 'einfache' Variante wird uns noch zum Fluchen bringen.

Auf steilster Betonpiste, später grobe Schotterpiste fahren wir aufwärts. Faszinierende Ausblicke entschädigen uns für die Anstrengungen. Kurz bevor wir oben sind muss ich mir was überziehen. Der eiskalte Wind bläst gnadenlos. Die Steigung ist gerade recht für Siggis Leistungsspektrum. Siggi drückt ohne mit der Wimper zu zucken den gnadenlos steilen Anstieg in einem durch. Es ist so steil, dass es gerade noch fahrbar ist. Das lose Geröll und der heftige Wind machen die letzten Meter zum Kraftakt. Oben angekommen, das Thermometer zeigt 8 Grad an, machen wir kurze Knipspause, ziehen unsere restlichen Klamotten über und fahren auf fast gleicher Strecke wieder talwärts. Fast gleich, weil wir während der Abfahrt auf einen super Trail abbiegen. Diesen hatten wir schon bei der Auffahrt gesehen. Einige Kehren abschneidend führt er durch dichten Wald talwärts um irgendwann wieder auf die Betonpiste zu stossen. Zurück in Oliena hilft uns dann der heftige Wind um mit 40 km/h in der Ebene über die Landstrasse zu fegen. Gerade richtig in Fahrt muss Siggi anhalten, da er abermals ein seltsames Geräusch an seinem Bike wahrnimmt. Wir vermuten wieder eine gebrochene Speiche. Leider nein. Die ganze Hinterradnabe wackelt. Es werden Erinnerungen an Korsika wach, da hatten wir ein ähnliches Problem. Allerdings erst bei der vorletzten Etappe. Hier auf Sardinien jedoch sind wir noch nicht mal die Hälfte unserer Tour gefahren. Obwohl das ganze Hinterrad wackelt, läuft es noch erstaunlich gut, auch der Freilauf funktioniert noch. So fahren wir weiter, machen können wir eh nix. An der angeblich schönsten Quelle Sardiniens tanken wir unsere Flaschen auf und fahren sofort weiter. Nach einiger Sucherei finden wir in dem anschliessenden Wegegewirr den Wanderweg, der uns Richtung Mte Tiscali führt. Zunächst sind noch einige Meter fahrbar, aber bald ist tragen angesagt. Zudem ist der Weg stellenweise nicht zu erkennen. Er scheint bei den Regenfällen des Frühjahrs teilweise komplett weggespült worden zu sein. So suchen wir unseren Weg durch meterhohe Gesteinsbrocken. Auf dem höchsten Punkt angekommen, kommt von rechts die Originalroute vom Mte Tiscali herunter. Ab hier können wir auf phantastischem Singletrail einige Meter zurücklegen. Aber unsere Freude währt nur kurz und es geht ähnlich wie wir hochgekommen sind wieder abwärts. Über steilste Steinwände und Geröllpfade suchen wir den Weg und zerkratzen unsere Gliedmassen an der in den Weg ragenden Macchia. Wir sind froh, nach über 2 Stunden tragen, schieben und schimpfen endlich wieder auf eine Piste zu stossen. Über eine vom Hochwasser zerstörte Brücke fahren wir auf guter Piste und Asphalt bis Dorgali. Laut Roadbook wäre hier Schluss für heute. Wir aber beschliessen weiter bis nach Cala Gonone ans Meer zu fahren. Nach etwas Suchen bekommen wir im Hotel Pop ein Zimmer. Im Restaurant des Hotels unbedingt Meeresfrüchte probieren. Die Spaghetti mit Muscheln und der Meeresfrüchte Teller sind absolut klasse!

 

Fahrdaten:   1863 hm   61,58 km   4:35 Fahrzeit

 

Übernachtung: POP Hotel, Tel: +39 0784 / 93185, email: lfancel@box1.tin.it, HP+F 47€/Person.

 

 

 

 

6. Etappe, Donnerstag 21.04.2005, Cala Gonone - Cala Gonone

 

- Ruhetag? Von wegen -
 

Nach heftigem Sturm in der Nacht begrüsst uns der Morgen mit stahlblauem Himmel und angenehmen Temperaturen.

Die Sonne treibt heute das Quecksilber auf über 30 Grad. Wird ja auch Zeit. Denn nach den Tagen der Kälte und des Windes können wir etwas angenehmere Bedingungen gut gebrauchen. Zudem ist heute Ruhetag angesagt. Aber was wir unter Ruhetag verstehen sieht man ja im Höhendiagramm. Wir nehmen heute im Rucksack nur ein zünftiges Vesper mit. Das erleichtert die Bergaufpassagen ungemein. So erklimmen wir relativ leicht die 900 hm zum Mte. Tului. Die Strasse nach Dorgali verlassen wir vor dem Strassentunnel und fahren auf Schotter weiter Bergwärts. Nach Besichtigung des alten, nicht in der Karte eingezeichneten Tunnels fahren wir weiter bergwärts zu den Funkanlagen. Auf dem Weg dorthin haben wir phantastische Ausblicke auf Cala Gonone. Wir erklimmen noch den höchsten Punkt am Mte Tului zu Fuss. Hier geht's aber für uns nicht weiter.  So rollen wir auf gleicher Strecke 300 hm talwärts. Die Ausblicke auf die Küste sind grandios. Wir nehmen den Abzweig mit dem viel versprechenden Wegweiser 'Rally Bike', den wir bei der Auffahrt schon gesehen hatten. Der folgende Trail wird wohl hauptsächlich von Crossmaschinen benutzt, ist für uns aber gerade recht. In engen Kehren und ruppigen Geröllpassagen geht's schnell talwärts. In einer wie mit Sand ausgelegten Bobbahn vernichten wir die letzten Höhenmeter bis zum Talboden. Wir schauen kurz auf die Karte und nehmen die Piste, die uns zur Cala di Luna führt. Bis zum Einstieg in die Schlucht vernichten wir abermals etliche Höhenmeter auf genialem Trail. An einem schattigen Plätzchen packen wir nun unser mitgebrachtes Vesper aus und lassen uns alle Zeit der Welt. So ein Ruhetag hat schon was...

Irgendwann ist alles ess- und trinkbare vernichtet und wir fahren weiter. Um noch ein paar Höhenmeter auf den Tacho zu fahren nehmen wir die 300 hm zur Scala Arcu in Angriff. Auf der mit Wald bewachsenen Anhöhe angelangt werden wir von einem Einheimischen begrüsst. Er ist mit seinen Freunden gerade auf Wildschweinjagd. Er erinnert uns irgendwie an Obelix.

Ohne dass wir ein Wort sagen müssen zeigt er uns die vorzeitlichen Bauten der Ursarden die hier in nicht geringer Anzahl vorhanden sind. Er erklärt uns viel, wir verstehen aber leider kein Wort. Als wir wieder aus dem Wald stiefeln haben wir sicher auch die letzte Sau vertrieben. Nachdem er uns noch stolz seinen Jeep zeigt, den er in Deutschland gekauft hat, bedanken wir uns höflich für die spontane Fremdenführung und wünschen noch viel Erfolg bei der Jagd. Wieder sind wir ob der freundlichen und offenen Art der Sarden überrascht. Nach gut einer halben Stunde stehen wir wieder am Hafen von Cala Gonone.

 

Fahrdaten:   1893 hm   44,13 km   3:50 Fahrzeit

 

Übernachtung: POP Hotel, Tel: +39 0784 / 93185, email: lfancel@box1.tin.it, HP+F 47€/Person.

 

 

 

 

7. Etappe, Freitag 22.04.2005, Cala Gonone - Gena Silana

 

- Der Tag der Tiere -
 

Der Wirt des Hotel Pop besorgt uns Kontakte zum Bootsverleih im Hafen. So werden wir an der Box 5 schon erwartet, als wir in der Morgensonne zum Meer hinab rollen. Ein Boot soll uns zur Cala Sisine übersetzen, von wo wir dem Roadbook folgend unsere heutige Etappe starten wollen. Nach kurzer Preisverhandlung soll es um 10:00 Uhr los gehen. 20 € zahlen wir für die Überfahrt inklusive Bike. Wir vertreiben uns bis dahin die Zeit mit Fotoshooting in der stimmungsvollen Morgensonne. Kurz nach 10 verladen wir die Bikes auf ein zunächst etwas träge anmutendes Gummiboot. Es sind noch andere Passagiere an Bord, die die Grotten besichtigen wollen oder zur Cala di Luna möchten. Kaum haben wir aber den Hafen verlassen, setzt der Kapitän seine Mütze auf und kurz darauf wissen wir auch warum. Er gibt nun richtig Gas und zeigt was in seinem Gefährt steckt. Wir müssen uns und unsere Bikes kräftig festhalten damit nichts verloren geht. Dank der anderen Gäste steuern wir die Grotten wie z.B. die Bue Marino an. An der Cala di Luna steigen 3 Kletterer aus und für uns geht's weiter. An der Cala Sisine angelangt, Springen wir von Bord, werfen uns die Bikes zu und sind nach kurzer Zeit alleine in der Bucht. "Wird schon passen" denken wir. Wenn sich der Kapitän in der Bucht geirrt hätte, hätten wir ein Problem. Wir überlegen noch kurz ins Meer zu hüpfen, lassen das dann aber, da wir nicht den Rest des Tages mit einer juckenden Salzkruste auf der Haut verbringen möchten. So suchen wir unseren Weg heraus aus der Bucht in den Taleinschnitt. Als wir die im Roadbook beschriebene Bar passieren, wissen wir, dass wir richtig sind. Die Bar hat leider noch zu und so geht's ohne Unterbrechung weiter. Aus dem Tal führt eigentlich nur ein Weg nach oben, so dass wir uns kaum verfahren können. Der Weg ist zwar teilweise mit recht grobem Gestein versehen, ist aber fast durchgängig befahrbar. Wunderschöne Landschaften wechseln sich ab mit Tierbegegnungen. Erst wimmelt es vor Schweinen. Der ganze Wald um uns herum grunzt. Dann stossen wir auf ein paar übermotivierte Schäferhunde, die ihren Job wirklich ernst nehmen. Die zwei Köter sehen in uns eine potentielle Gefahr für die Ziegenherde und holen uns schier vom Rad. Ich kann teilweise ihre feuchten Schnauzen an meinen Waden spüren. Zum Glück bleibt es bei einer akustischen Auseinandersetzung. Circa 200 Meter lang rennen die Hunde um uns herum bis Ablenkung in Form von zwei Wanderern entgegenkommt. Wir geben die Hunde ab und fahren schleunigst weiter. Die Wanderer waren mit Stöcken 'bewaffnet' so dass wir uns um sie keine Sorgen machen mussten.

Wieder kurz darauf stossen wir auf eine Ziegenherde, die sich am einzigen Wasserloch der Gegend erfrischt. "Die Serengeti lebt" oder wie hieß die Tiersendung die ich als Kind immer gekuckt hab?

Oben an der Kapelle San Pietro di Golgo angelangt grasen gemütlich unzählige Esel und weitere Schweine. Die Kapelle sieht aus wie im Italo-Western. Da könnte gleich Clint Eastwood um die Ecke geritten kommen und nach ein paar Dollar mehr fragen.

Die weitere Strecke gestaltet sich unspektakulär. Auf Asphalt geht es weiter bis Baunei. Von hier an einer Polizeikontrolle vorbei weiter bis zu der Passhöhe Genna Silana. Von weitem sehen wir schon, dass das einzige grosse Haus auf dem Pass eine Baustelle ist. Vermutlich ist es das Hotel, in dem wir eigentlich übernachten wollten. Nach kurzer Orientierung auf der Passhöhe entdecken wir aber das kleine "Bed&Breakfast". Als wir eintreten und in unserem miserablen italienisch nach einem Zimmer fragen werden wir auf reinstem Hochdeutsch angesprochen. Wir sind nicht schlecht erstaunt. Sandra aus Berlin wohnt hier zusammen mit ihrem Mann Francesco. Wir bekommen ein Zimmer und werden abends bekocht als würden wir zur Familie gehören. Beim Verdauungsschnaps bekommen wir noch viele Tipps für die nächste Etappe. Die beiden bieten hier im Supramonte Trekking-Touren an und kennen wirklich jeden Stein.

 

Fahrdaten:   1430 hm   52,58 km   3:30 Fahrzeit

 

Übernachtung: Bed & Breakfast, Mobil: +39 347 / 4233650, HP 37 €/Person, email: francescomurru@virgilio.it, web: www.gorropu.com

 

 

 

 

8. Etappe, Samstag 23.04.2005, Gena Silana - Talana

 

- Trailday -
 

Schon gestern haben wir beschlossen, die leichtere der beiden Achim Zahn Varianten zu fahren. Denn als wir Franco die eigentliche Etappe gezeigt haben, hat er ziemlich lange überlegt und immer wieder den Kopf geschüttelt. Wir würden oft schieben und tragen müssen. Ausserdem sei die Wegfindung sehr problematisch. So nehmen wir die leichtere Variante, und nutzen die gesparte Zeit, um die Gorropu-Schlucht zu besuchen. Auf einem Traumtrail fahren wir hinunter in die Schlucht. Es ist nahezu alles fahrbar. Genau wissend, dass wir hier nur schiebend wieder hoch kommen, geniessen wir trotzdem die klasse Abfahrt. Unten in der Schlucht lassen wir die Bikes zurück und gelangen in einer halsbrecherischen Kletteraktion über einen losen Geröllabhang in das Flussbett hinunter. Auch hier scheint das letzte Stück Weg ein Opfer der Fluten geworden zu sein. In der Schlucht klettern wir dann wieder über meterhohe, rundgeschliffene Felsen, bis uns ein tiefes Wasserloch ein Weiterkommen unmöglich macht. Nur schwimmend ginge es hier weiter, was uns dann zur Umkehr bewegt.

Um ziemlich genau 13:00 Uhr stehen wir dann wieder oben auf der Passhöhe Genna Silana und fahren Richtung Süden. Wir verlassen bald die Strasse und gelangen auf die Weidegründe Sa Conca Manna. Hier sieht's schon wieder aus wie im Wilden Westen. Auf der Piste am Talbach entlang geht's weiter Richtung Süden. Achim Zahn schreibt von einem ausgetrockneten Talbach, hmm. Wir jedenfalls müssen mehrmals die Schuhe ausziehen um durch die Fluten zu stapfen. Auf unserem Weg besuchen wir kurz vor Talana die Nuraghe Bau Tanea. Es ist erstaunlich, wie die Sarden die tonnenschweren Gesteinsbrocken passgenau aufeinander gestapelt haben um ein derartiges Bauwerk zu errichten. Die Nuraghen sind über ganz Sardinien verteilt. Von ehemals geschätzten 10.000 sind noch ungefähr 7.000 mehr oder weniger erhalten. Die meisten wurden ca. 1500-500 v.Chr. erbaut. Der Zweck der Bauwerke ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

Über den nahegelegenen Sattel fahren wir in einem bewaldeten Hang auf guter Schotterpiste talwärts bis nach Talana, unserem heutigen Etappenziel. Wir wollen wie im Roadbook beschrieben, in dem Albergo Tegas übernachten. Das Albergo sieht jedoch ziemlich geschlossen aus. Wir fragen die Männer auf dem Dorfplatz nach einer Übernachtungsmöglichkeit im Dorf. Ihre ratlosen Gesichter sprechen Bände. Es scheint die nächste Möglichkeit im 20 km entfernten Lanusei zu geben. Wir suchen trotzdem noch ein wenig rum und kreuzen mehrmals den Dorfplatz. Die halten uns bestimmt für verrückt, wir sind schon die Attraktion in dem Dorf. Da wir mittlerweile recht hungrig sind, und die zusätzlichen 20 km keinesfalls mit leerem Magen angehen wollen, kaufen wir im örtlichen Minimarkt erst mal ein ordentliches Vesper. Siggi fragt noch die Dame an der Kasse und sie weiss etwas von einem Bed&Breakfast. Super, da hatten wir zuvor auch schon geklingelt, war aber niemand da. Sie meinte allerdings, man solle die Nummer anrufen, die am Haus steht. Gesagt getan. Ich tippe die ans Haus gepinselte Nummer ins Handy und beim zweiten Versuch hebt sogar jemand ab. "Pronto?" Mit schlechtestem Italienisch und ohne Hände und Füsse zu Hilfe nehmen zu können, erkläre ich, dass wir mit den Rädern vor dem Bed&Breakfast stehen und gerne übernachten würden. "Arriva subito" klingst aus dem Handy. Wir setzen uns auf die Bank vor dem Haus und harren der Dinge. Wir sind gerade dabei unser Vesper zu vernichten, als ein Fiat mit quietschenden Reifen um die Kurve kommt. Klasse, wieder mal Glück gehabt, 20 km gespart. Die nette Dame redet wie ein Buch und wir verstehen kein Wort. Sie zeigt uns unsere Zimmer, als wir entdecken, dass auch eine Küche vorhanden ist. Bei Nachfrage ob wir hier unser Abendessen kochen dürfen, meint sie kurzerhand, sie würde das für uns machen. Super, Siggi kauft noch schnell die nötigen Utensilien ein. Bis wir dann vom Duschen kommen, steht eine grosse Schüssel Spaghetti auf dem Tisch. Als Vorspeise gibt es selbst gemachte Salami und Käse, dazu selbst gemachten Wein. Den von uns gekauften Wein hat sie gleich zur Seite gestellt. Wir schaffen gerade so den Berg Nudeln. Zum Nachtisch gibt's noch Obst. Aus dem Redefluss der Hausherrin hören wir heraus, dass wir ihre ersten Gäste sind.

 

Fahrdaten:   1273 hm   37,09 km   2:46 Fahrzeit

 

Übernachtung: Bed & Breakfast S. Marta, Tel: +39 0782 / 646803, Ü+F 20 €/Person.

 

 

 

 

 

9. Etappe, Sonntag 24.04.2005, Talana - Lanusei

 

- Auf der Strasse der Zerstörung ins Tal des Todes -

 

Das Frühstück ist wie das Abendessen reichhaltig und selbst gemacht. Gestärkt mit Salami, Käse und einem starken Kaffe machen wir uns auf den Weg. Bei nebligen Bedingungen verlassen wir Talana und fahren Richtung Villagrande. Auf der nun folgenden Verbindungsstrasse stockt uns mehrmals der Atem. Zum einen, weil uns hier die Gewalt der Wassers nur allzu deutlich wird, zum anderen, weil wir in anstrengenden Schiebe und Tragepassagen die abgerutschten Wegstücke oder Gerölllawinen überwinden müssen. In dichtem Nebel kommen wir in dem verschlafenen Bergdorf Villagrande an. Von hier geht's auf der SS 389 über Villanova zum Lago Flumendosa. Auch hier queren wir eine vom Wasser zerstörte Brücke. Wir fahren am See entlang und sehen so manche wilde Müllhalde. An einer davon scheint der örtliche Metzger seine Produktionsabfälle endzulagern. Wir biegen bald auf eine Piste ab und gelangen ins Tal des Accu Tadei Flusses. Fluss heisst natürlich wieder Schuhe ausziehen. Am Pistenende, die Welt scheint hier zu Ende zu sein, sind wir ziemlich lange mit der Wegsuche beschäftigt. Auf der Suche nach der richtigen Passage über den mittlerweile reissenden Fluss müssen wir leider mehrere tote Kühe entdecken. Zuerst sehen wir eine tote Kuh im Stall liegen, der Kopf hängt zum Fenster raus. Ein makabrer Anblick und wir wollen gar nicht hinsehen. Aber es kommt noch schlimmer. Immer noch auf der Suche nach der richtigen Passage über den Fluss fahren wir ein paar Meter zurück und sehen eine zweite tote Kuh. Diese liegt schon halb verwest in einem von oben kommenden Bachlauf. Uns dreht es, auch aufgrund des Gestanks, schier den Magen rum. Um so mehr wollen wir endlich die richtige Passage über den Fluss finden. Wir entscheiden uns schnell für einen geeigneten Übergang. Nur weg von diesem schrecklichen Ort.

Die Flussüberquerung gestaltet sich wieder sehr abenteuerlich. Siggi überspringt zwei fast 2 Meter auseinander liegende Steine. Ich gebe ihm die Bikes rüber, werfe ihm die Rucksäcke zu und springe dann selbst nach. Jetzt folgt eine üble Schieberei auf den etwa 200 Meter höher liegenden Sattel. Ein Weg ist nur mit geschultem Auge zu erkennen. Später geht es durch Tierpfade durch hemmungslos kratzende Macchia bis zur Anhöhe. Wir teilen uns mehrmals auf, um eine geeignete Route durch das Dickicht zu finden. Wir passen auf, dass wir uns nicht verlieren. Denn das mannshohe Gestrüpp und die heftige Steigung macht die Lage sehr unübersichtlich. Die auf dem Sattel grasenden Pferde schauen uns etwas verwundert an und halten vorsichtig Abstand. Von oben können wir schon die 200 Meter tiefer gelegene Schafalm sehen, zu der wir hinunter schieben. Ab hier ist dann auf guter Piste alles wieder fahrbar. Am Wegesrand plagen sich unzählige Mistkäfer mit ihrem Tagwerk. Das lässt uns unsere Schieberei doch nicht soo anstrengend empfinden. Auf der Piste gelangen wir an das Südufer des Lago Flumendosa. Auf schier endlos erscheinenden, kurvigen Strässchen fahren wir im Express-Tempo bis Lanusei. Hatten wir oben im Gebirge noch 25 Grad und Sonnenschein, so tauchen wir bei der Abfahrt nach Lanusei in eine Nebelwand ein. Bei der Abfahrt muss ich die Brille abnehmen, da sie voller Wasser ist. Schnell fahren ist eh nicht, da maximal 10 Meter Sicht herrschen. Als wir im Ort ankommen, sind wir komplett mit Wassertropfen bedeckt. Wir fragen im Zentrum nach einem Hotel und werden sofort ausgefragt, wo wir her kommen, hin wollen....Kurz darauf stehen wir am Hotel Belvedere und bekommen ein Zimmer. Na ja, mit Belvedere (schöne Aussicht) ist bei dem Nebel nicht viel.


Fahrdaten:   1584 hm   79,96 km   4:56 Fahrzeit

 

Übernachtung: Hotel Belvedere, Tel: +39 0782 / 42184, DZ+F 68 €.

 

 

 

 

10. Etappe, Montag 25.04.2005, Lanusei - Perdasdefogu

 

- Weglos bis Endlos -
 

Heute ist die Aussicht schon besser. Der Nebel hat sich ins Tal zurückgezogen und wir frühstücken bei Sonnenschein und angenehmen Morgentemperaturen auf dem Balkon. Nachdem wir abends die Karte studiert haben, entdeckten wir einen Schotterweg, der uns eventuell ein paar Kilometer Asphalt erspart. Es geht gleich heftigst bergauf. Nach knapp 300 hm müssen wir aber feststellen, dass die gewählte Strecke nicht zum gewünschten Ziel führt. Wir haben heute noch einiges vor uns und beschliessen doch die Strassenvariante zu benutzen. So fahren wir wieder 300 hm in den Ort ab, um der Strasse zu folgen. Nach 45 km vorbei an Geisterstädten gelangen wir nach Ussasai, wo nach dem Roadbook eine alte Bergwerkspiste beginnt. Wir finden die Piste und folgen dieser gen Süden. In gleichmässigem Gefälle geht's stetig Talwärts, dann wieder hoch auf eine Schafalm. Laut Karte soll hier ein Weg ins Flusstal führen. Wir suchen ewig herum, probieren mehrere zeit- und kraftraubende Varianten. Aber es scheint keine Möglichkeit zu geben ins Flusstal hinunter zu kommen. Die undurchdringliche Macchia macht einen Querfeldein-Versuch unmöglich. Ausserdem hören wir den Fluss bis hier herauf rauschen. Eine Überquerung des Wassers wäre sicher eine sehr abenteuerliche Angelegenheit geworden. Wir radeln also ein gutes Stück zurück. Es kommen uns ein, zwei Einheimische entgegen. Jeder macht nur ein langes Gesicht, als wir nach einer Passage Richtung Süden fragen. Es ist schon recht spät und wir entscheiden uns für die Rückfahrt zunächst nach Ussasai. Wir könnten noch versuchen, auf der anderen Talseite ins Tal einzufahren, aber zeitlich würde dies für heute ziemlich knapp. Es ist schon 16:00 Uhr. Erst wollen wir dann in Ussasai übernachten und morgen die andere Talseite versuchen. Aber mangels Übernachtungsmöglichkeit beschliessen wir den kompletten Gebirgszug zu umfahren. Ein Umweg von 50 km, aber wenigstens auf vorhandenen Strassen. Die Strecke zieht sich ewig, vor allem die Anhöhe vor Perdasdefogu macht uns mit ihrem böigen Wind zu schaffen. Nicht umsonst steht hier ein Windrad am anderen.

Mit konsequentem Windschattenfahren, ein bis zwei Riegelstops kommen wir nach Perdasdefogu. Zum Glück bekommen wir im Hotel Mura, das zwar schon bessere Zeiten gesehen hat, ein Zimmer. Zum Weiterfahren hätte ich heute keinen Bock mehr gehabt.

In der Pizzeria im Erdgeschoss bestellen wir zunächst eine Pizza. Sie schmeckt sehr gut und ist auch ordentlich gross. Da Siggi einen ziemlich unzufrieden Gesichtausdruck nach dem Verzehr seiner Pizza hat, frage ich "Du hast doch noch Hunger, oder?" Wir winken die Kellnerin herbei und bestellen zu ihrer Verwunderung gleich noch mal zwei Pizzas. Danach suchen wir uns im Eisschrank noch ein leckeres Eis aus.

 

Fahrdaten:   2500 hm   111,63 km   6:20 Fahrzeit

 

Übernachtung: Albergo Mura, DZ 44 €.

 

 

 

 

11. Etappe, Dienstag 26.04.2005, Perdasdefogu - Villasimius

 

- Auf der Strasse nach Süden -
 

In froher Erwartung auf das Frühstück gehen wir durchs Haus um dem Kaffeeduft folgend den Frühstücksraum zu finden. Jedoch gibt es hier weder Kaffeeduft noch Frühstücksraum noch ein Frühstück. Wie gesagt, das Hotel hat schon bessere Zeiten gesehen. Wir packen den Rucksack, bezahlen und 'überfallen' den gut getarnten Markt gegenüber. Wären hier nicht Leute mit Tüten unterwegs gewesen, hätten wir das Geschäft nicht gefunden. Unser Frühstück besteht somit heute aus ein paar Dosen Cola und diversen Arten von süssem Frühstücksgebäck. Direkt vor dem Markt setzen wir uns in die Sonne und geniessen die wärmenden Sonnenstrahlen an dem Morgen. Auf gut ausgebauter Strasse verlassen wir die Hochebene von Perdasdefogu und fahren in weitläufigen Kehren 600 hm talwärts bis wir auf die 125er kommen. Die Strasse führt uns südwärts unserem Ziel am Südzipfel Sardiniens entgegen. Über kilometerlange Geraden und vorbei an kleinen Waldbränden sind wir nach knapp 4 Stunden Fahrzeit am Ziel unserer Tour, dem Capo Carbonara am östlichen Südzipfel Sardiniens.
Im sehr geschmackvoll eingerichteten Hotel Su Sergenti bekommen wir ein erstklassiges Zimmer mit Meerblick.

 

Fahrdaten:   638 hm   99,89 km   3:55 Fahrzeit

 

Übernachtung: Hotel Su Sergenti, Tel: +39 070 / 792001, web: www.hotelsusergenti.com, DZ+F 65 €.

 

 

 

 

12. Etappe, Mittwoch 27.04.2005, Villasimius - Cagliari, Olbia

 

- We need a car -

Nachdem wir uns am gestrigen Abend zur Feier des Tages ein zwei Biers mehr genehmigt haben, schlafen wir diese Nacht besonders gut. Ausserdem müssen wir heute keine mega Etappe bewältigen. Wir sitzen deshalb über eine Stunde am besten Frühstücksbuffet der Reise und essen in aller Ruhe, bis wir alles probiert haben. Später radeln wir in die Stadt Villasimius. Hier wollen wir für morgen einen Mietwagen organisieren, um nach Olbia zu fahren.

Aber alles kommt anders als man denkt.

Das Büro der AVIS-Station ist im Umbau begriffen. Das Touristbüro, das auch Europcar vermittelt, kann auch nichts für uns tun. Der Touristikexperte bemüht sich und telefoniert 10 Minuten herum, aber keiner scheint einen Mietwagen für uns zu haben. Er meint dann, die einzige Möglichkeit um diese Jahreszeit (es ist eben noch Vorsaison) einen Mietwagen zu bekommen, wäre am Flughafen in Cagliari. So müssen wir schweren Herzens im Hotel Su Sorgenti auschecken, packen abermals unsere Rucksäcke und radeln los. Wir schauen noch kurz am Capo Carbonara vorbei.

Die Küstenstrasse bis kurz vor Cagliari ist ja noch ganz nett. Aber um schnell zu sein und uns nicht unnötig zu verfahren bleiben wir auf der Hauptstrasse und folgen den Airport-Schildern. Nun wird die Strasse bis zu sechs Spuren breit und übervoll mit Fahrzeugen. Gelegentlich entgegenkommende Rennradler bestätigen uns, dass wir hier mit den Rädern doch fahren dürfen. Ewig schleppen wir uns so von Ampel zu Ampel bis wir endlich zur Abfahrt des Flughafens kommen. Am Flughafen schauen wir die ganzen Autovermieter an. Die renommierten Marken scheint's nicht zu geben. So suchen wir unter den ganzen windigen Autovermietern den aus, der uns am seriösesten erscheint. Wir nehmen das kleinste Auto mit umklappbarer Rücksitzbank, und kurz darauf sind die Bikes verstaut. Es ist ein tolles Gefühl, wenn es nach fast 2 Wochen Radfahren einfach von alleine rollt. Nach gut drei Stunden Autofahrt sind wir in Olbia. Zunächst suchen wir direkt in der Stadt nach einem Hotel. Aufgrund des abendlichen Verkehrschaos lassen wir das aber bald bleiben, und fahren Richtung Flughafen aus der Stadt. Wir nehmen das erste Hotel das uns 'entgegenkommt'. Wir haben wieder Glück. Es ist das erst letztes Jahr eröffnete Hotel Daniel mit tollen Appartements, Terrasse und Garten.

 

Fahrdaten:   557 hm   66,67 km   2:40 Fahrzeit

 

Übernachtung: Hotel Daniel, Tel: +39 0789 / 379030, web: www.hotel-daniel.it

 

 

Donnerstag 28.04.2005, Olbia

 

- Sightseeing -

 

Heute ist nun wirklich Sightseeing angesagt. Wir frühstücken wieder ausgiebig. Wir haben noch den Mietwagen und kaufen ordentlich ein, bevor wir das Auto am Flughafen zurückgeben. Danach radeln wir in die Stadt um hier die Zeit totzuschlagen. Zufällig war gestern Abend der Start der Sardinien Rallye. Im Hafen haben alle Teams noch ihre Zelte Aufgebaut und wir können die Boliden und deren Fahrer aus der Nähe sehen. Die Autos, die mit einem Serienfahrzeug eigentlich nichts mehr gemein haben, werden nach jedem Tag komplett zerlegt und wieder zusammengebaut. Wenn nötig, mit Pressluft ausgeblasen, damit ja kein Staubkörnchen zurück bleibt. Wenn ich dagegen bedenke dass unsere Bikes seit 2 Wochen nur ein mal die Kette geschmiert bekommen haben.....

Im Hafen können wir die momentan neueste und grösste Fähre bestaunen, die gerade Sardinien anfährt. Ein riesen Pott.

 

Freitag 29.04.2005, Olbia

- Gimme a ticket for an aeroplane -

Heute geht's nach Hause. Die Tickets haben wir schon. Wir freuen uns wieder im eigenen Bett zu schlafen, auf das gute schwäbische Essen und auf ein paar bikefreie Tage.
Aber weit gefehlt, morgen fahre ich schon wieder CC-Rennen in Heubach.......

 

Gesamtdaten und Strecke

Fahrdaten: 12 Etappen, 889,02 km, 18651 hm, 51:38 Fahrzeit

Gesamt-Höhendiagramm


Karte mit Streckenverlauf

 

Fazit

Diese Tour war der Hammer.
Phantastische Landschaft und ausnahmslos nette und gastfreundliche Menschen machen diese Tour zu etwas ganz Besonderem.

Die Navigation war sehr schwierig, das Roadbook hat an einigen Stellen nicht gestimmt. Vernünftige Karten gibt es eigentlich nicht. Es gibt nur die schon etwas älteren, ungenauen Topo-Karten vom Geografico Militaria. Diese können u.a. über die ETH Bibliothek bezogen werden.

Wer fahrtechnische Herausforderungen sucht ist auf dieser Strecke verkehrt. Meist waren wir auf guten Schotterstrassen, so genannten Strada Biancas, oder Asphalt unterwegs. Ganz selten auf grobem Geröll oder Singletrails. Jedoch haben es die Schiebe- und Tragepassagen in sich.

Viele Infos und Unterstützung haben wir erfahren von:
Florian Michahelles, http://www.vision.ethz.ch/michahel/private/MTB/transsard/index.html
Vielen Dank auf diesem Wege.

 

Infos

Flug Mit HLX.com, Stuttgart-Olbia.
Bike-Reservierung kostet 25 € extra pro Strecke.
Die Bikes haben wir unverpackt aufgegeben. War völlig problemlos.
 
Roadbook: Aus MTB 10/2002 von Achim Zahn.
http://www.mountainbike-magazin.de/sixcms/media.php/814/1002_trans_sardegna.pdf
 
Reiseveranstalter Reise ist buchbar über www.seracjoe.de
 
Karten Strassenkarten oder Militärkarten vom Geografico Militaria
 
Rucksack Genau gleiches Gepäck wie bei einer Transalp (siehe Packliste 2004)
 
Trinken Wir kamen immer in ausreichenden Abständen an Brunnen oder Quellen vorbei die genug Wasser führten.
Im Sommer oder Herbst mag es hier etwas knapp werden.
 
Unterkunft Da wir in der Vorsaison unterwegs waren, hatten viele Hotels und Restaurants noch geschlossen.
Wir hatten nichts vorreserviert, um flexibel zu bleiben.
 
Klima Von 5 Grad bis 35 Grad Celsius war alles dabei.
Teils heftiger, eiskalter Wind auf den Anhöhen.
Sonne, Regen und Schnee.
 
Bike Ein Hardtail ist ausreichend. Gute Schotterpisten und hoher Asphaltanteil machen ein Fully nicht unbedingt erforderlich.
Werkzeug und Ersatzteile wie bei einer Transalp.
Vernünftige Bike-Shops gibt es keine auf der Strecke.
 
Links zum Thema http://www.vision.ethz.ch/michahel/private/MTB/transsard/index.html
http://www.matthias-breitkopf.de/Sardinien.html
http://www.seracjoe.de
http://www.sardinienforum.de
http://www.gorropu.com/
http://www.igmi.org/
http://www.ethbib.ethz.ch/ks/
http://www.bike-board.de/bike/sardinien/sardinien1_de.htm
http://www.bikesardegna.it
http://www.sardinien.com/

 

    

Helmut Hägele (Hemme), Siegfried Hügler (Siggi) - 16.06.2005

©www.noBrakes.de

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